Wenn im digitalen Zeitalter die Fotografie von der unbestechlichen Zeugin zur notorischen Lügnerin herabgestuft wird - finden wir die Wahrheit in der Polaroidfotografie ? Immerhin gehen wir bei dieser davon aus, dass das Bild nicht im Nachhinein verändert wurde und der Fotograf auch Zeuge der Szene ist, der er abgebildet hat.
Bei meiner Serie "Mug Shots" handelt es sich um Verbrecherfotos, die in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts in Sydney aufgenommen wurden. Sie stammen aus dem forensischen Archiv der
Polizei New South Wales in Sydney. Dort kann man Täter und Tatort Fotos finden. Auf Grund des Alters der Bilder gelten Sie als sogenannte CC0 Bilder (creative commons), die ohne Urheberrecht
weiter verarbeitet und verbreitet werden dürfen. Sie wurden von mir als Polaroids ausgestellt. Damit konnte ich die oben erwähnte Unterstellung, dass bei Polaroids der Fotograf Zeuge der Szene
ist und dass die Polaroids im Nachhinein nicht zu bearbeiten sind, ad absurdum führen.
Jedes Bild ist mit dem Namen der Person und dem Datum der Festnahme versehen, man erkennt einige Körpermaße und es ist dem entsprechenden Tatort Foto zugeordnet. Aufnahmen aus der
Frühzeit der forensischen Fotografie!
Viele der Bilder zeigen die betroffene Person von vorne und von der Seite, die kurz nach der Festnahme aufgenommen sind. In vielen Gesichtern scheint der Schock des Erlebten noch nachzuwirken,
manche wirken aber auch erschreckend unschuldig, manche böse!!
Bei einigen der Bilder ist von der klassischen Art der Darstellung abgegangen worden; man nimmt an, dass die Personen animiert wurden eine von Ihnen selbst gewählte Haltung einzunehmen. Diese
Bilder im Besonderen zeigen, wie eine Fotografie eine Persönlichkeit und deren Geschichte einzufangen vermag.
Der Leuchtkasten "This Man refused to open his eyes" zeigt ein Foto, das mich aus der Serie besonders ansprach. Es zeigt exemplarisch : Schuld und Unschuld, Bekennen und Nichtbekennen werden in unterschiedlichen Zeiten anders definiert. Wurde früher weniger gelogen oder wurden weniger gravierende Verbechen begangen? Die Gesichter aus der Vergangenheit , die uns oft rührend entgegenblicken, lassen den - vielleicht unbegründeten - Verdacht aufkommen.